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Fortbildung des Museumsteams: Die Geschichte der Kapelle in Abbensen und der Kirche in Helstorf

Den Abschluss der Fortbildungsreihe des Museumsteams zu den Kirchen der Wedemark bildete Mitte November 2021 ein Besuch der Johanneskapelle in Abbensen. Da die Kapelle mit dem Ort Abbensen,  kirchlich zu Helstorf in der Stadt Neustadt gehört, wurde daher im Anschluss auch diese Kirche aufgesucht.

 

Die heutige Johanneskapelle in Abbensen wurde 1911 errichtet und im drauffolgenden Jahr eingeweiht. Sie hatte eine Vorgängerin, die 1665 als Fachwerkbau entstand, im Jahre 1901 aber für baufällig erklärt wurde. Der Neubau verzögerte sich, weil die Finanzierung mit Beihilfen von verschiedenen Stellen und einem Kredit der örtlichen Sparkasse zu klären war. Außerdem entschied die Kirchengemeinde, dass der Standort aus der Ortsmitte unmittelbar an die Hauptstraße verlegt werden sollte, gegenüber der damals auch neu errichteten Schule. Die Familie Plinke machte diesen Ortswechsel durch einen Grundstückstausch möglich.

 

Die Küsterin der Kapelle, Frau Nadine Meyer, erläuterte den Besucherinnen und Besuchern die Besonderheiten der heutigen Kapelle. Aus der alte Kapelle wurde der um 1450 entstandene Flügelaltar eines unbekannten Meisters sowie die Kanzel mit dem hölzernen Anbau, das Taufbecken und das Kreuz über der Eingangstür in den Neubau integriert. Dazu wurde der Flügelaltar von einem Restaurator fachgerecht renoviert und um drei fehlende Figuren ergänzt. Zu diesem Altarschrank gibt es eine ganz besondere Geschichte. Im Oktober 1974 wurde der Altar gestohlen; in der Gemeinde herrschte Entsetzen, denn man hatte wenig Hoffnung, dieses wertvolle Stück wiederzubekommen. Mitte Dezember geschah dann doch ein kleines Wunder. Anlässlich einer polizeilichen Aktion auf dem Düsseldorfer Flughafen wurden mehrere  Frachtkisten  durchsucht – und dabei wurde der Altar entdeckt, kurz bevor er in die USA geflogen werden sollte.

Eine Besonderheit weist der alte Taufstein auf, der im Jahre 1972 eine metallische Taufschale mit Deckel erhielt. Als Material verwendete der Künstler verschiedene Buntmetalle, in die Schale wurde mit Ätztechnik ein Kreuz eingearbeitet, in dessen Mitte ein Quadrat zu sehen ist, in dem das „Auge Gottes“ als Symbol für die Dreieinigkeit angedeutet ist. In der Nähe des Schalenrandes findet sich kreisförmig eine angedeutete Dornenkrone als Hinweis auf die Kreuzigung an Karfreitag.

 

Frau Meyer berichtete auch von den Festen, die in und um die Kirche herum gefeiert wurden und werden. So von der Osternacht, die morgens um 5 Uhr begann und zu der die Konfirmandinnen und Konfirmanden die Osterkerze in die Kirche trugen.  Auch die jährlichen „Feste unter der Kastanie“ waren immer ein Magnet im Ortsleben. Zusammen mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden trägt auch der jährliche „Lebendige Adventskalender“ zu einem attraktiven Leben in der Kapellengemeinde bei.

Vor der Kirche in Helstorf empfing die Küsterin Karola Huck die Gruppe des Heimatmuseums und freute sich über den Besuch aus der Nachbargemeinde. Sie erläuterte, dass es an gleicher Stelle einen Vorgängerbau aus dem 13. Jahrhundert gab, der bis auf den Turm Mitte der 1750er Jahre abgerissen und durch das heutige Kirchengebäude mit einem Tonnengewölbe im Innenraum ersetzt wurde, das 1751 eingeweiht wurde.

 

Im Innern der Kirche fiel einigen Museumsteammitgliedern eine gewisse Ähnlichkeit mit der St. Michaelis-Kirche in Bissendorf auf – vor deren gründlicher Renovierung Mitte der 1960er Jahre. Besonders ins Auge fällt der Altar mit der Hochkanzel von dem damals bekannten Künstler Johann Friedrich Blasius Ziesenis und dem Bild in der Mitte, das eine Abendmahlsituation mit einem Hasenbraten auf dem Teller in der Mitte des Bildes zeigt. Den Besucherinnen und Besuchern fiel auch auf, dass der Chorraum durch eine Altarwand abgetrennt ist. Die Altarwand wurde in den 1970er Jahren versetzt und dadurch der Chorraum verkleinert; heute dient die Fläche hinter dem Altar als Arbeitsraum der Küsterin. Eine Diskussion ergab sich zur Bedeutung des liturgischen Altartuches, das neben dem Abendmahlsgeschirr eine Zwölferrunde zeigt, aus der ein Baustein durch einen dunklen Strich ausgegrenzt wird.

 

Besonderes Interesse fand auch das Taufbecken mit dem darüber schwebenden Taufengel. Das romanische Taufbecken entstammt dem Vorgängerbau und wurde zwischenzeitlich als Futtertrog in der Landwirtschaft zweckentfremdet, bevor es wieder in der Kirche seinem Zweck zugeführt wurde. Der barocke Taufengel hing ursprünglich in der Chormitte und war mittels einer Mechanik absenkbar. In den Händen hielt er früher die Taufschale; diese wird immer noch genutzt, nur wird sie heute in den Aufsatz des Taufsteins gestellt. Der Taufengel schwebt so über dem Taufstein, dass sich größere Personen schon an seinen Füßen stoßen können. Eine frühere Pastorin sagte dazu, dass „der Engel schon mal austritt“.

 

Im Chorraum finden sich beidseitig sog. Priecheneinbauten, die der Platz für besonders herausgehobene Gemeindeglieder waren. Zum Chor hin finden sich noch heute die prachtvollen Namensschilder dieser Familien, u.a. der Familie Stolzenberg, die sogar einen eigenen Eingang in die Kirche hatte.

Ein besonderer Blickfang ist die Orgel auf der rückwärtigen Empore aus dem Jahre 1864 des Orgelbauers C. Heyder aus Heiligenstadt. Gerühmt wird ihr Klang, den man gelegentlich auch in Konzerten genießen kann. Frau Huck hatte noch ein mögliches kurzes Orgelspiel angekündigt, was leider nicht zustande kam.

 

Zum Abschluss konnte noch ein Blick in den hölzernen Glockenturm geworfen werden. Ganz besonders sind auch die sehr alten Grabsteine um die Kirche herum, dem früheren Friedhof bis Ende des 19. Jahrhunderts. Diese vielfältigen, noch sehr gut erhaltenen und teilweise als Schutz vor Witterungseinflüssen überdachten Grabsteine sind ein hervorragendes Zeugnis der protestantischen Begräbniskultur des 17. bis 19. Jahrhunderts.


Bildquellen:

Außenansicht Kirche Helstorf: Wikipedia, Aufnahme von Losch

alle übrigen Fotos: Richard-Brandt-Heimatmuseum Wedemark